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Praxisübernahme Zahnarzt: Der komplette Leitfaden für eine erfolgreiche Übernahme (2025)

KURZFASSUNG:

Die Übernahme einer Zahnarztpraxis ist für viele Zahnärztinnen und Zahnärzte der bevorzugte Weg in die Selbstständigkeit – und das aus gutem Grund. Mit einem etablierten Patientenstamm, eingespieltem Personal und vorhandener technischer Ausstattung bietet die Praxisübernahme entscheidende Vorteile gegenüber einer Neugründung. Doch der Weg zur eigenen Zahnarztpraxis ist komplex: Von den spezifischen Herausforderungen der Dentalbranche über die hohen Investitionskosten bis zur besonderen Patientenbindung in der Zahnmedizin gibt es viele Besonderheiten zu beachten.

Dieser umfassende Leitfaden begleitet Sie durch alle Phasen der Praxisübernahme – von der strategischen Planung über die Finanzierung bis zur erfolgreichen Integration des Teams und der Patienten. Mit konkreten Praxisbeispielen, aktuellen Zahlen und einer detaillierten Checkliste sind Sie bestens vorbereitet für Ihre erfolgreiche Niederlassung.

Die besondere Ausgangslage für Zahnärzte in Deutschland

Die zahnärztliche Versorgungslandschaft in Deutschland steht vor besonderen Herausforderungen. Während in städtischen Ballungsräumen oft Überversorgung herrscht, fehlen in ländlichen Regionen zunehmend Nachfolger für ausscheidende Kollegen. Diese Diskrepanz schafft sowohl Chancen als auch Herausforderungen für übernahmewillige Zahnärzte.

Die Zahlen sprechen für sich:

  • Durchschnittlicher Kaufpreis einer Zahnarztpraxis: 350.000 Euro
  • Zusätzliche Investitionen für Modernisierung: 150.000-200.000 Euro
  • Gesamtinvestition oft: 500.000-600.000 Euro
  • Durchschnittlicher Jahresumsatz: 600.000-800.000 Euro

Ein entscheidender Unterschied zu allgemeinmedizinischen Praxen ist die hohe Technikorientierung der Zahnmedizin. Moderne Behandlungseinheiten, digitale Röntgensysteme, CAD/CAM-Technologie und Intraoralscanner erfordern nicht nur hohe Investitionen, sondern auch kontinuierliche Fortbildung und technisches Verständnis.

Praxisbeispiel aus Bayern: Dr. Julia Schneider übernahm 2023 eine Praxis in einem Münchner Vorort. "Die technische Ausstattung war meine größte Überraschung. Der Vorgänger arbeitete noch komplett analog. Allein die Digitalisierung kostete zusätzliche 180.000 Euro – aber es hat sich gelohnt. Nach einem Jahr arbeiten wir 40% effizienter."

Strategische Planung: Der 18-Monats-Fahrplan zur erfolgreichen Übernahme

Eine erfolgreiche Praxisübernahme beginnt lange vor der eigentlichen Schlüsselübergabe. Unser bewährter Zeitplan gibt Ihnen Orientierung:

Phase 1: Grundsatzentscheidungen (18-24 Monate vorher)

In dieser frühen Phase legen Sie das Fundament für Ihre Zukunft. Die zentrale Frage lautet: Welche Art von Praxis passt zu Ihren persönlichen und beruflichen Zielen?

Einzelpraxis oder Gemeinschaftspraxis? Diese Entscheidung prägt Ihre gesamte berufliche Zukunft. Eine Einzelpraxis bietet maximale Autonomie – Sie entscheiden über Behandlungsspektrum, Öffnungszeiten, Personalführung und Investitionen. Der Preis dafür ist die volle Verantwortung, auch in Krankheits- oder Urlaubszeiten.

Eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) hingegen ermöglicht Arbeitsteilung und kollegialen Austausch. Dr. Martin Weber, der 2023 als Juniorpartner in eine BAG einstieg, berichtet: "Die ersten Monate waren Gold wert. Mein Seniorpartner führte mich in die Besonderheiten der Praxis ein, während ich frischen Wind bei der Digitalisierung reinbrachte."

Stadt oder Land? Diese Entscheidung beeinflusst nicht nur Ihren Arbeitsalltag, sondern Ihr gesamtes Leben. In überversorgten Stadtgebieten ist die Übernahme oft der einzige Weg zur Kassenzulassung. Dafür profitieren Sie von kurzen Wegen, breitem Patientenspektrum und guter Infrastruktur. Auf dem Land winken Förderungen bis zu 60.000 Euro, weniger Konkurrenz und oft dankbarere Patienten – aber auch längere Arbeitstage und die Verpflichtung, die zahnärztliche Versorgung einer ganzen Region zu sichern.

Phase 2: Die Praxissuche (12-18 Monate vorher)

Die Suche nach der passenden Praxis gleicht der Partnersuche – es muss einfach passen. Nutzen Sie alle verfügbaren Kanäle:

Praxisbörsen der KZVen sind die erste Anlaufstelle. Jede regionale KZV führt Listen mit Praxen, die zur Übernahme stehen. Der Vorteil: Diese Angebote sind geprüft und seriös. Der Nachteil: Oft sind attraktive Praxen hier gar nicht gelistet, weil sie unter der Hand vermittelt werden.

Das persönliche Netzwerk ist Gold wert. Dr. Lisa Hoffmann fand ihre Traumpraxis durch einen Tipp beim Stammtisch: "Ein Kollege erwähnte beiläufig, dass Dr. Müller in zwei Jahren aufhören will. Ich nahm sofort Kontakt auf – zwei Jahre später übernahm ich die Praxis, ohne dass sie je ausgeschrieben wurde."

Online-Portale und Makler erweitern die Reichweite, kosten aber oft Gebühren. Vorsicht vor überteuerten Angeboten – manche Makler treiben die Preise künstlich hoch.

Phase 3: Due Diligence - Die Praxis unter der Lupe (6-12 Monate vorher)

Jetzt wird es ernst. Die Detailprüfung entscheidet, ob aus der Wunschpraxis Ihre Praxis wird.

Die Standortanalyse geht über die reine Lage hinaus. Analysieren Sie:

  • Bevölkerungsentwicklung der nächsten 10 Jahre
  • Altersstruktur der Einwohner
  • Kaufkraft und Privatpatientenanteil
  • Konkurrenzsituation im 5-km-Radius
  • Parkplatzsituation und ÖPNV-Anbindung

Die Patientenstruktur verrät viel über die Zukunftsfähigkeit. Eine Praxis mit 1.500 aktiven Patienten (Behandlung in den letzten 12 Monaten) ist attraktiver als eine mit 3.000 Karteileichen. Achten Sie auf:

  • Altersmix (zu viele Senioren = mittelfristig schrumpfender Stamm)
  • Recall-Quote (über 60% = gut gepflegte Praxis)
  • Privatpatientenanteil (15-25% ist gesund)
  • Neupatienten pro Monat (Indikator für Reputation)

Die technische Ausstattung ist in der Zahnmedizin entscheidend. Eine 20 Jahre alte Behandlungseinheit mag noch funktionieren, aber wie lange noch? Erstellen Sie eine Inventarliste mit:

  • Alter und Zustand jedes Großgeräts
  • Wartungshistorie und Reparaturanfälligkeit
  • Digitalisierungsgrad (analoges Röntgen = sofortiger Investitionsbedarf)
  • Hygiene-Equipment (RKI-konform?)

Der Praxiswert: Was ist eine Zahnarztpraxis wirklich wert?

Die Bewertung einer Zahnarztpraxis ist eine Wissenschaft für sich. Der durchschnittliche Kaufpreis von 350.000 Euro ist nur ein grober Richtwert – die Spanne reicht von 150.000 Euro für eine kleine Landpraxis bis über 1 Million Euro für eine spezialisierte Großstadtpraxis.

Die Komponenten des Praxiswerts

Der materielle Wert umfasst alles Greifbare:

  • Behandlungseinheiten und Großgeräte
  • Instrumentarium und Kleingeräte
  • Einrichtung und Mobiliar
  • EDV und Software
  • Materialvorräte

Faustregel: Der Zeitwert beträgt meist nur 20-40% des Neupreises. Eine 10 Jahre alte Behandlungseinheit, die neu 50.000 Euro kostete, ist heute vielleicht noch 10.000-15.000 Euro wert.

Der ideelle Wert (Goodwill) macht oft 60-80% des Kaufpreises aus:

  • Patientenstamm und dessen Bindung
  • Praxisreputation und Marktposition
  • Eingearbeitetes Personal
  • Laufende Recall-Systeme
  • Standortvorteile

Rechenbeispiel moderne Praxis:

  • Jahresüberschuss (Durchschnitt 3 Jahre): 200.000 €
  • Multiplikator für Goodwill: 1,2
  • Ideeller Wert: 240.000 €
  • Materieller Wert (Inventar): 110.000 €
  • Gesamtwert: 350.000 €

Besonderheiten bei spezialisierten Praxen

Spezialisierte Praxen erzielen oft höhere Preise. Eine gut laufende Implantologie-Praxis kann das 1,5-fache des Jahresüberschusses als Goodwill erzielen. Warum? Die Patientenakquise in Spezialbereichen ist schwieriger, etablierte Überweiserstrukturen sind wertvoll.

Dr. Thomas König, Implantologe aus Hamburg: "Ich zahlte 450.000 Euro für eine Praxis mit 180.000 Euro Jahresüberschuss. Teuer? Ja. Aber mit dem etablierten Überweisernetzwerk erreichte ich schon im zweiten Jahr 250.000 Euro Überschuss."

MVZ vs. Einzelkämpfer: Die neue Konkurrenzsituation

Die Landschaft der Zahnarztpraxen verändert sich dramatisch. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und Praxisketten kaufen verstärkt Praxen auf – oft zu Preisen, die Einzelkämpfer nicht mithalten können.

Die MVZ-Strategie verstehen

MVZ-Ketten haben andere Kalkulationen:

  • Zugang zu günstigem Kapital durch Investoren
  • Skaleneffekte beim Einkauf
  • Zentrale Verwaltung reduziert Kosten
  • Cross-Selling zwischen Standorten

Das treibt Preise nach oben. In München zahlte eine Kette 500.000 Euro für eine Praxis, die nach klassischer Bewertung maximal 350.000 Euro wert war. Für einzelne Übernehmer wird es schwieriger.

Ihre Gegenstrategie als Einzelkämpfer

Persönlichkeit als USP: Patienten schätzen den persönlichen Kontakt zum "Chef". Eine Umfrage der KZBV zeigt: 73% der Patienten bevorzugen inhabergeführte Praxen.

Nischen besetzen: Während MVZ auf Standardversorgung setzen, können Sie sich spezialisieren. Ganzheitliche Zahnmedizin, Angstpatienten-Behandlung oder hochwertige Ästhetik sind Bereiche, wo Persönlichkeit zählt.

Verkäufer überzeugen: Viele Praxisabgeber wollen ihr Lebenswerk in guten Händen wissen. Dr. Elisabeth Weber verkaufte ihre Praxis für 50.000 Euro unter Höchstgebot an eine junge Kollegin: "Mir war wichtig, dass meine Patienten weiterhin persönlich betreut werden."

Finanzierung: Der Weg zum Praxiskredit

Die Finanzierung einer Zahnarztpraxis-Übernahme ist eine der größten finanziellen Entscheidungen Ihres Lebens. Mit Gesamtinvestitionen von oft 500.000-600.000 Euro bewegen Sie sich in Dimensionen, die sorgfältige Planung erfordern.

Die Besonderheiten der Zahnarzt-Finanzierung

Banken lieben Zahnärzte – die Ausfallquote bei Praxiskrediten liegt unter 1%. Das ermöglicht günstige Konditionen, aber die Banken schauen genau hin.

Der typische Finanzierungsbedarf:

  • Kaufpreis: 350.000 €
  • Modernisierung/Digitalisierung: 150.000 €
  • Betriebsmittel: 30.000 €
  • Liquiditätsreserve: 50.000 €
  • Gesamt: 580.000 €

Die Finanzierungsstruktur:

  • Eigenkapital: 50.000 € (ideal 10-20%)
  • KfW-Förderkredit: 200.000 €
  • Bankdarlehen: 330.000 €

Der Businessplan als Schlüssel zum Erfolg

Ihr Businessplan muss die Bank überzeugen. Zentrale Elemente:

Die Ertragsprognose zeigt, dass Sie den Kredit bedienen können:

  • Jahr 1: Umsatz 500.000 € → Überschuss 150.000 €
  • Jahr 2: Umsatz 550.000 € → Überschuss 180.000 €
  • Jahr 3: Umsatz 600.000 € → Überschuss 210.000 €

Die Liquiditätsplanung beweist, dass Sie auch Durststrecken überstehen. Bedenken Sie: KZV-Honorare kommen mit 6-8 Wochen Verzögerung, Privatpatienten zahlen manchmal erst nach Monaten.

Fördermöglichkeiten gezielt nutzen

Ländliche Regionen: Bis zu 60.000 Euro Zuschuss in unterversorgten Gebieten. Beispiel Mecklenburg-Vorpommern: 40.000 Euro Niederlassungsförderung plus 20.000 Euro für Praxisübernahme.

KfW-Kredite: Der ERP-Gründerkredit bietet bis zu 500.000 Euro zu günstigen Konditionen. Vorteil: Tilgungsfreie Anlaufjahre möglich.

Wichtig: Fördermittel VOR Vertragsunterzeichnung beantragen! Nachträgliche Anträge werden abgelehnt.

Die rechtlichen Fallstricke der Zahnarzt-Zulassung

Die vertragszahnärztliche Zulassung ist Ihr Ticket zur Kassenpraxis. Ohne sie behandeln Sie nur Privatpatienten – wirtschaftlich meist nicht tragfähig.

Das Zulassungsverfahren verstehen

In gesperrten Gebieten (Versorgungsgrad >110%) läuft es so:

  1. Praxisabgeber verzichtet auf Zulassung
  2. KZV schreibt Sitz aus (4 Wochen Bewerbungsfrist)
  3. Zulassungsausschuss entscheidet nach Kriterien
  4. Nachfolger erhält Zulassung

Der Königsweg: Vorab-Einigung mit Abgeber. Sie einigen sich informell, stellen gemeinsam Antrag auf Nachbesetzung. Der Ausschuss folgt meist dem Vorschlag des Abgebers.

Spezielle Genehmigungen in der Zahnmedizin

Viele zahnärztliche Leistungen brauchen Sondergenehmigungen:

  • Kieferorthopädie: 3-jährige Weiterbildung erforderlich
  • Oralchirurgie: 4-jährige Weiterbildung
  • DVT-Röntgen: Spezielle Fachkunde + Gerätegenehmigung
  • Sedierung: Zusatzqualifikation notwendig

Diese Genehmigungen sind personengebunden! Selbst wenn der Vorgänger sie hatte, müssen Sie sie neu beantragen.

Praxistipp: Dr. Michael Braun übernahm eine KFO-Praxis ohne selbst Kieferorthopäde zu sein: "Ich stellte einen KFO-Kollegen an und baute parallel die allgemeine Zahnmedizin aus. Nach zwei Jahren hatte ich beide Standbeine."

Personalübernahme: Das Team als Erfolgsfaktor

In einer Zahnarztpraxis arbeiten durchschnittlich 5-7 Mitarbeiter – mehr als in den meisten Arztpraxen. Das Team ist Ihr wichtigstes Kapital.

Die rechtlichen Grundlagen

Bei Praxisübernahme gilt §613a BGB: Alle Arbeitsverhältnisse gehen automatisch über. Sie übernehmen:

  • Alle Arbeitsverträge unverändert
  • Sämtliche Urlaubsansprüche
  • Bestehende Gehaltsstrukturen
  • Eventuell Altersteilzeitvereinbarungen

Kündigungen wegen der Übernahme sind verboten! Selbst wenn Sie mit weniger Personal auskommen würden, müssen Sie zunächst alle übernehmen.

Die Besonderheiten des Zahnarzt-Teams

Die Hierarchie verstehen:

  • Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA)
  • Zahnmedizinische Prophylaxeassistentin (ZMP)
  • Dentalhygienikerin (DH)
  • Praxismanagerin/Erstkraft
  • Auszubildende

Jede Qualifikation hat spezifische Befugnisse. Eine DH darf mehr delegierte Leistungen erbringen als eine ZFA – das beeinflusst Ihre Wirtschaftlichkeit erheblich.

Das Team gewinnen - praktische Strategien

Der erste Eindruck zählt: Dr. Sandra Müller lud das Team vor Übernahme zum Italiener ein: "In lockerer Atmosphäre lernte ich jeden kennen. Die anfängliche Skepsis wich schnell der Neugier auf frischen Wind."

Quick Wins schaffen: Kleine Verbesserungen zeigen Wertschätzung:

  • Neue Arbeitskleidung in modernen Farben
  • Teamfortbildung mit Zertifikat
  • Digitale Zeiterfassung statt Stempelkarte
  • Wasserspender und Kaffeemaschine für's Team

Individuelle Entwicklung: Führen Sie nach 3 Monaten Einzelgespräche. Fragen Sie nach Fortbildungswünschen und Karrierezielen. Eine ZFA zur ZMP weiterzubilden kostet 3.000 Euro, steigert aber Motivation und Wirtschaftlichkeit enorm.

Die Patientenkommunikation: Vertrauen übertragen

Zahnarztpatienten sind besonders sensibel bei Veränderungen. Die Angst vor dem Zahnarzt kombiniert mit Unsicherheit über den neuen Behandler kann zu massiver Abwanderung führen.

Die 3-Phasen-Strategie der Patientenbindung

Phase 1: Ankündigung (8 Wochen vorher)Der gemeinsame Brief von Alt und Neu ist Gold wert:

"Liebe Patienten,nach 30 wundervollen Jahren übergebe ich meine Praxis an Frau Dr. Jung. Sie bringt frischen Wind und moderne Behandlungsmethoden mit, teilt aber meine Philosophie der einfühlsamen Patientenbetreuung. Ich habe sie persönlich ausgewählt und bin überzeugt, dass Sie in besten Händen sind.Ihr Dr. Alt"

Phase 2: Übergangszeit (erste 3 Monate)

  • Persönliche Vorstellung bei jedem Patienten
  • 5 Minuten mehr Zeit pro Patient einplanen
  • Kontinuität betonen ("Ihr bewährtes Team bleibt")
  • Neuerungen ankündigen ("Bald auch Termine online buchbar")

Phase 3: Etablierung (ab Monat 4)Jetzt können Sie vorsichtig Neuerungen einführen:

  • Recall-System optimieren
  • Prophylaxe-Konzept modernisieren
  • Digitale Services einführen

Der Datenschutz-Spagat

Die Patientenakten sind rechtlich heikel. Ohne Einwilligung dürfen Sie nicht hineinschauen! Das "Zwei-Schrank-Modell" ist die Lösung:

Schrank A: Patienten mit Einwilligung (sofort nutzbar)Schrank B: Ohne Einwilligung (versiegelt bis zur Zustimmung)

Praktischer Ablauf: Beim ersten Besuch unterschreibt der Patient die neue Datenschutzerklärung und stimmt der Aktenübernahme zu. Nach 6 Monaten haben Sie meist 90% Zustimmung.

Technische Herausforderungen in der Zahnmedizin

Die Zahnmedizin ist die technisch anspruchsvollste medizinische Disziplin. Die Digitalisierung revolutioniert gerade alles.

Die Digitalisierungs-Entscheidungen

Digitales Röntgen: Wenn noch analog geröntgt wird, ist die Umstellung Pflicht. Kosten: 30.000-80.000 Euro (OPG) bzw. 80.000-150.000 Euro (DVT). Die Effizienzsteigerung rechtfertigt die Investition.

CAD/CAM-Systeme: Kronen in einer Sitzung? Mit CEREC und Co. möglich. Investition: 100.000-150.000 Euro. Aber: Nur rentabel bei hohem Prothetik-Aufkommen.

Intraoralscanner: Die Zukunft der Abformung. 20.000-40.000 Euro Investition, aber höhere Patientenzufriedenheit und Präzision.

Praxis-Software: Übernehmen Sie zunächst die vorhandene! Ein Wechsel während der Übernahme ist riskant. Nach 6 Monaten können Sie wechseln, wenn nötig.

Die Telematik-Infrastruktur

Seit 2023 ist vieles Pflicht:

  • eHeilberufsausweis: Für digitale Signatur
  • KIM: Sichere Kommunikation
  • eRezept: Vollständig digital
  • eAU: Elektronische Arbeitsunfähigkeit

Die Umstellung kostet Zeit und Nerven. Planen Sie 2-3 Tage Einrichtung mit IT-Support ein.

Hygiene und RKI: Die zahnärztlichen Besonderheiten

Die Hygieneanforderungen in Zahnarztpraxen übertreffen die allgemeinmedizinischer Praxen deutlich. Als neuer Inhaber tragen Sie die volle Verantwortung.

Die kritischen Punkte

Instrumentenaufbereitung: Die Validierung von Autoklav und RDG ist Pflicht. Prüfen Sie:

  • Sind Validierungszertifikate aktuell?
  • Wird korrekt dokumentiert (Chargenprotokoll)?
  • Ist das Personal geschult?

Wasserhygiene: In Dentaleinheiten können sich Biofilme bilden. RKI fordert:

  • Tägliche Spülung vor Betriebsbeginn
  • Jährliche mikrobiologische Untersuchung
  • Intensiventkeimung bei Bedarf

Abfallentsorgung: Amalgamreste, extrahierte Zähne, blutige Tupfer – alles Sondermüll. Die Entsorgung kostet monatlich 200-400 Euro.

Die Praxisbegehung meistern

Rechnen Sie in den ersten 12 Monaten mit einer Begehung! Die Behörden prüfen gerne neue Inhaber.

Vorbereitung ist alles:

  • Hygieneplan aktuell und vollständig
  • Alle Geräte-Dokumentationen griffbereit
  • Desinfektionsmittel mit gültiger VAH-Listung
  • Impfstatus aller Mitarbeiter dokumentiert

Dr. Kathrin Schmitt: "Bei meiner ersten Begehung war ich nervös. Aber mit vollständiger Dokumentation lief alles glatt. Paul hat mir dabei enorm geholfen – alle Dokumente waren auf Knopfdruck verfügbar."

Spezialfall Kieferorthopädie und Oralchirurgie

Spezialisierte Praxen haben besondere Herausforderungen bei der Übernahme.

Kieferorthopädie-Praxen

Die Besonderheiten:

  • Lange Behandlungsdauer (2-4 Jahre)
  • Hoher Anteil minderjähriger Patienten
  • Quartalsweise Abrechnung großer Summen
  • Teure Spezialausstattung

Die Herausforderung: Sie übernehmen laufende Behandlungen im Wert von oft 500.000-1.000.000 Euro. Diese müssen zu Ende geführt werden!

Lösungsansatz: Dr. Martin Scholz, KFO-Spezialist: "Ich vereinbarte mit dem Vorgänger eine 6-monatige Übergangsphase. Er führte kritische Fälle zu Ende, während ich neue übernahm. Das gab Sicherheit für alle."

Oralchirurgie-Praxen

Die Besonderheiten:

  • Hoher Überweiseranteil (60-80%)
  • OP-Ausstattung mit strengen Hygienevorgaben
  • Sedierungs-Genehmigungen erforderlich
  • Notfallmanagement kritischer

Die Überweiserbeziehungen sind hier das A und O. Ein Anruf bei jedem wichtigen Überweiser VOR der Übernahme ist Pflicht!

Stadt vs. Land: Wo lohnt sich die Übernahme?

Die Standortfrage beeinflusst alles – von den Kosten bis zur Lebensqualität.

Großstadt-Praxis

Vorteile:

  • Großes Patientenpotenzial
  • Hoher Privatpatientenanteil möglich
  • Spezialisierung leichter
  • Gute Infrastruktur

Nachteile:

  • Hohe Kaufpreise (oft 400.000-600.000 Euro)
  • Starke Konkurrenz (auch MVZ)
  • Hohe Praxismieten (3.000-5.000 Euro/Monat)
  • Schwierige Parkplatzsituation

Erfolgsbeispiel: Dr. Anna Klein übernahm eine Praxis in Frankfurt-Sachsenhausen: "Der Kaufpreis von 520.000 Euro war heftig. Aber mit 30% Privatpatienten und Fokus auf Ästhetik erreichte ich nach 2 Jahren 300.000 Euro Überschuss."

Landpraxis

Vorteile:

  • Günstige Kaufpreise (150.000-250.000 Euro)
  • Förderungen bis 60.000 Euro
  • Wenig Konkurrenz
  • Dankbare Patienten
  • Günstige Lebenshaltungskosten

Nachteile:

  • Begrenztes Patientenpotenzial
  • Kaum Privatpatienten
  • Schwierige Personalsuche
  • Notdienst-Belastung
  • Soziale Verpflichtungen

Erfolgsbeispiel: Dr. Thomas Bauer übernahm eine Praxis in der Oberpfalz: "Mit 180.000 Euro Kaufpreis plus 40.000 Euro Förderung war es ein Schnäppchen. Ich bin der einzige Zahnarzt im 15km-Umkreis – die Praxis ist immer voll."

Die ersten 100 Tage: Ihr Fahrplan zum Erfolg

Die ersten Monate entscheiden über den langfristigen Erfolg. Ein strukturierter Plan hilft:

Woche 1-2: Ankommen

  • Team-Meeting am ersten Tag
  • Persönliche Vorstellung bei jedem Mitarbeiter
  • Wichtigste Abläufe verstehen
  • Notfallmanagement prüfen
  • Hygienestandards checken

Woche 3-4: Orientierung

  • Alle Geräte testen
  • Software-Schulung intensivieren
  • Erste Patientenkontakte
  • Lieferanten kennenlernen
  • Labor-Besprechung

Monat 2: Analyse

  • Wirtschaftliche Kennzahlen prüfen
  • Patientenstruktur analysieren
  • Schwachstellen identifizieren
  • Erste kleine Optimierungen
  • QM-System durchgehen

Monat 3: Erste Veränderungen

  • Recall-System optimieren
  • Online-Terminbuchung einführen
  • Teamfortbildung starten
  • Marketing-Maßnahmen beginnen
  • Erste Modernisierungen

Monat 4-6: Konsolidierung

  • Größere Investitionen angehen
  • Behandlungsspektrum erweitern
  • Neue Kooperationen aufbauen
  • Prozesse standardisieren
  • Erste Bilanz ziehen

Typische Fehler und wie Sie sie vermeiden

Aus den Erfahrungen vieler Übernahmen kristallisieren sich typische Fallstricke heraus:

Fehler 1: Zu schnelle Veränderungen

Das Problem: Dr. Jung digitalisierte in den ersten 4 Wochen alles. Resultat: Das Team war überfordert, Patienten verunsichert, die Abläufe chaotisch.

Die Lösung: Änderungen dosiert einführen. Erst nach 3 Monaten größere Umstellungen. Das Team mitnehmen, nicht überrollen.

Fehler 2: Unterschätzte Kosten

Das Problem: Nach der Übernahme kommen ungeplante Kosten: Defekte Geräte, Nachzahlungen, Renovierungen. Plötzlich fehlt Liquidität.

Die Lösung: 20% Puffer auf alle Kalkulationen. Liquiditätsreserve von mindestens 50.000 Euro. Kreditlinie als Backup.

Fehler 3: Vernachlässigte Beziehungspflege

Das Problem: Dr. Meier konzentrierte sich nur auf die Praxis, vergaß die Überweiser. Nach 6 Monaten brachen die Überweisungen um 40% ein.

Die Lösung: In den ersten 4 Wochen alle wichtigen Partner kontaktieren. Persönliche Vorstellung, Kontinuität zusichern, Kooperation anbieten.

Fehler 4: Fehlende Work-Life-Balance

Das Problem: 70-Stunden-Wochen führen zu Burnout. Die Begeisterung weicht Frustration.

Die Lösung: Von Anfang an Grenzen setzen. Einen Tag pro Woche frei halten. Nach 6 Monaten erste Urlaubswoche einplanen.

Die Abrechnung meistern: BEMA, GOZ und digitale Pflichten

Die zahnärztliche Abrechnung ist komplex und fehleranfällig. Ein Fehler kann teuer werden.

Die Zweiklassen-Abrechnung verstehen

BEMA (Kassenpatienten):

  • Festpreise für definierte Leistungen
  • Budgetierung bei KCH (Konservierende Chirurgie)
  • Festzuschüsse bei Zahnersatz
  • Genehmigungspflichten bei KFO/PAR

GOZ (Privatpatienten):

  • Steigerungsfaktoren (1,0 - 3,5fach)
  • Begründungspflichten ab 2,3fach
  • Analogleistungen möglich
  • Vereinbarungen nach §2 GOZ

Die digitalen Pflichten seit 2023

eHeilberufsausweis (eHBA): Ohne ihn geht nichts mehr. Beantragung dauert 4-6 Wochen!

Elektronisches Beantragungs- und Genehmigungsverfahren (eBG): Alle Heil- und Kostenpläne digital. Keine Papieranträge mehr möglich.

KIM (Kommunikation im Medizinwesen): Sichere E-Mail für Arztbriefe und Befunde. Monatliche Kosten: 20-50 Euro.

Praxistipp: Übernehmen Sie zunächst die Abrechnungsroutinen des Vorgängers. Nach 3 Monaten können Sie optimieren. Ein Abrechnungsseminar der KZV ist Gold wert!

Finanzielle Fallstricke und versteckte Kosten

Viele Übernehmer unterschätzen die laufenden Kosten einer Zahnarztpraxis.

Die monatlichen Fixkosten

Typische Kostenstruktur (Einzelpraxis):

  • Personalkosten: 8.000-12.000 €
  • Praxismiete: 2.000-4.000 €
  • Labor: 3.000-6.000 €
  • Material: 2.000-3.000 €
  • Versicherungen: 800-1.200 €
  • Energie/Nebenkosten: 500-800 €
  • Entsorgung: 300-500 €
  • Fortbildung: 500-1.000 €
  • Sonstiges: 1.000-2.000 €
  • Gesamt: 18.000-31.000 €/Monat

Die versteckten Kostentreiber

Laborkosten: Oft der größte Kostenfaktor. Ein Wechsel des Labors kann 20% sparen – aber Vorsicht vor Qualitätseinbußen!

Personalnebenkosten: Zur Bruttolohn kommen 25-30% Nebenkosten. Eine ZFA mit 2.500 Euro brutto kostet real 3.200 Euro.

Wartungsverträge: Autoklav, RDG, Kompressor, Behandlungseinheiten – jährlich 5.000-10.000 Euro.

Entsorgung: Amalgamabscheider, Blutabfälle, Chemikalien – unterschätzt, aber teuer.

Der Notfallplan: Wenn nicht alles glatt läuft

Trotz bester Planung kann einiges schiefgehen. Ein Plan B ist wichtig.

Szenario 1: Massive Patientenabwanderung

Das Problem: 30% der Patienten wechseln nach der Übernahme.

Die Lösung:

  • Sofort Ursachenanalyse (Befragung der Wechsler)
  • Rückholkampagne starten
  • Neupatienten-Marketing intensivieren
  • Kooperationen mit Ärzten ausbauen
  • Notfalls Kosten senken (Personal reduzieren)

Szenario 2: Technischer Totalausfall

Das Problem: Die Praxis-Software stürzt ab, alle Daten weg.

Die Lösung:

  • Tägliches Backup (am besten Cloud + lokal)
  • Notfall-IT-Support-Vertrag
  • Papier-Notfallsystem vorhalten
  • Cyber-Versicherung abschließen

Szenario 3: Team-Revolte

Das Problem: Das gesamte Team kündigt geschlossen.

Die Lösung:

  • Sofort Zeitarbeitsfirma kontaktieren
  • Kollegen um Aushilfen bitten
  • Notfalls Öffnungszeiten reduzieren
  • Headhunter einschalten
  • Ursachen analysieren und abstellen

Ihre Checkliste für die erfolgreiche Praxisübernahme

📋 18 Monate vor Übernahme

Strategische Grundlagen

  • Praxisform festlegen (Einzelpraxis/BAG/MVZ)
  • Zielregion definieren (Stadt/Land)
  • Behandlungsschwerpunkte klären
  • Finanzielle Möglichkeiten ermitteln
  • Lebensplanung berücksichtigen

📋 12 Monate vor Übernahme

Praxissuche starten

  • KZV-Praxisbörse durchsuchen
  • Online-Portale nutzen
  • Netzwerk aktivieren
  • Erste Besichtigungen
  • Grobanalyse interessanter Objekte

📋 9 Monate vor Übernahme

Detailprüfung

  • Standortanalyse durchführen
  • Patientenstruktur analysieren
  • Technische Ausstattung bewerten
  • Personalstruktur prüfen
  • Wirtschaftliche Kennzahlen analysieren

Finanzierung vorbereiten

  • Eigenkapital ermitteln
  • Bankgespräche führen
  • Fördermöglichkeiten prüfen
  • Businessplan erstellen

📋 6 Monate vor Übernahme

Vertragsverhandlungen

  • Praxisbewertung beauftragen
  • Kaufpreis verhandeln
  • Letter of Intent unterzeichnen
  • Anwalt beauftragen
  • Due Diligence abschließen

Behördliche Vorbereitung

  • Eintrag ins Zahnarztregister prüfen
  • Fachkunde Strahlenschutz aktualisieren
  • eHBA beantragen
  • Fortbildungspunkte checken

📋 3 Monate vor Übernahme

Verträge finalisieren

  • Kaufvertrag unterzeichnen (unter Vorbehalt)
  • Mietvertrag klären
  • Finanzierung final zusagen lassen
  • Versicherungen vorbereiten

Zulassung beantragen

  • Antrag bei KZV einreichen
  • Unterlagen komplettieren
  • Zulassungsausschuss-Termin wahrnehmen

📋 2 Monate vor Übernahme

Team vorbereiten

  • Erste Kontaktaufnahme
  • §613a-Information vorbereiten
  • Teammeeting planen
  • Arbeitsverträge prüfen

Patienten informieren

  • Ankündigungsschreiben entwerfen
  • Einwilligungsformulare vorbereiten
  • Website-Update planen
  • Pressemitteilung vorbereiten

📋 1 Monat vor Übernahme

Technische Vorbereitung

  • IT-Zugänge klären
  • TI-Anbindung vorbereiten
  • Praxis-Software Schulung
  • QM-System vorbereiten (Paul!)

Organisatorisches

  • Praxisschild bestellen
  • Stempel anfertigen lassen
  • Briefpapier drucken
  • Laborpartner kontaktieren

📋 Übernahmetag

Der große Tag

  • Schlüsselübergabe
  • Inventar übernehmen
  • Team begrüßen
  • Zugänge ändern
  • Erste Patienten behandeln

📋 Erste Woche

Sofortmaßnahmen

  • Behördenmeldungen (Röntgen, Gesundheitsamt)
  • KZV-Meldung durchführen
  • Versicherungen aktivieren
  • Notfallmanagement prüfen
  • Hygieneplan aktualisieren

📋 Erster Monat

Etablierung

  • Alle Partner informieren
  • Online-Profile aktualisieren
  • Recall-System prüfen
  • Erste Optimierungen
  • Einzelgespräche mit Team

📋 Nach 3 Monaten

Erste Bilanz

  • Wirtschaftlichkeit prüfen
  • Patientenzahlen analysieren
  • Teamfeedback einholen
  • Erste größere Veränderungen
  • Marketingmaßnahmen starten

📋 Nach 6 Monaten

Konsolidierung

  • Businessplan-Soll-Ist-Vergleich
  • Investitionsplan Phase 2
  • Fortbildungen planen
  • Erweiterungen angehen
  • Ersten Urlaub nehmen!

Fazit: Ihre erfolgreiche Zahnarztpraxis wartet

Die Übernahme einer Zahnarztpraxis ist eine der wichtigsten Entscheidungen Ihrer beruflichen Laufbahn. Mit durchschnittlich 500.000-600.000 Euro Gesamtinvestition bewegen Sie sich in einer Dimension, die sorgfältige Planung erfordert. Doch die Chancen überwiegen die Risiken bei weitem.

Die Besonderheiten der Zahnmedizin – von der hohen Technikorientierung über die komplexe Abrechnung bis zu den speziellen Hygieneanforderungen – machen die Übernahme zu einer besonderen Herausforderung. Gleichzeitig bietet kaum ein anderer medizinischer Bereich so viel unternehmerische Gestaltungsfreiheit und wirtschaftliches Potenzial.

Erfolgreiche Übernehmer berichten übereinstimmend: Der Schlüssel liegt in der gründlichen Vorbereitung, dem respektvollen Umgang mit dem übernommenen Team und der geduldigen Einführung von Neuerungen. Wer diese Balance meistert, wird mit einer florierenden Praxis belohnt.

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